Eine Nacht auf dem Berg wo er kahl ist

Den Vollmond zu fotografieren, damit war ich eigentlich durch.

Diesmal fing es mit einem schnellen Foto an.
Handy und knips. Ein träge entspannter, sonnengetränkte Nachmittag als frühlingsgrünes Bild auf SocialMedia.

Es fing an mit einer Nacht in der Hängematte.
Bis Eins, Eins und Eins sich zu einer Idee finden, dauert es manchmal. Dann lässt sich aus Müdigkeit, einer Hängematte und dem Schlafsack durchaus eine Übernachtung basteln. Vom Schlafkomfort her höchstens null Bewertungssterne, war die Aussicht aus der Hängematte jedoch himmlisch.
Zum einen die auf eine große, heiße Tasse Kaffee am nächsten Morgen, nach der alles Übernächtigt wieder gut würde: Schlafmangel, krummgelegene Mattigkeit und die in kalten Schweiß eingelegten Füße.
Aber vor allem der freie Blick nach oben, auf den Sternenhimmel, entschädigte für alles.
Da gab es blinkende Flugzeuge. Iridiumflares. Sternschnuppen. Eine geheimnisvoll durch den Himmel wandernde, diffus leuchtende Scheibe. Beklemmend war die fabrikneue Rotte von Satelliten des Starlink-Netzwerkes. Frisch geschlüpft und, wie Senfkörner auf einer Schnur, dicht hintereinander aufgereiht zogen sie als leuchtender Speer durch den Himmel.
Alles glänzte im Licht des fast vollen Mondes, nur nicht die Fledermäuse, die immer wieder als schwarze Schatten über den Himmel wischten.

Eigentlich fing es an einem frösteligen Abend an.
Ich war auf den Tod müde und das nächste Bett war eine Stunde Fußweg entfernt. Aber ich konnte hier jetzt ums Verrecken nicht weg!
Der Vollmond hatte über das Tal eine Glocke aus Licht gestülpt. In die Welt um mich war plötzlich ein Elfenzauber gewoben. Der Wald gegenüber, die Kirschbäume im Garten, selbst die Grasspitzen vor mir glänzten wie aus Mithril geschmiedet. Mithril – Mondensilber. Sogar die Luft klang danach – es war, als würde auf feinen Glasstäben Sternenmusik gespielt, zu der irgendwo in der Ferne Elfen sangen.
Ich wollte, ich konnte einfach keine Sekunde dieser Nacht verpassen.

Vom Paradies herauf perlte echtes Leben – Gelächter und Musik. Die Stadt unter mir feierte.

Nein, es begann mit der Antwort auf SocialMedia: … Das sieht traumhaft aus! … Stimmt. Aber du müsstest das erstmal im Licht des Vollmond sehen … Da muss ich wohl auf ein Mondfoto von Dir warten.

Mit dem Vollmond war ich durch.
Eigentlich.

Wie fotografiert man Mondlicht?
Ich laufe durch die zweite Nacht. Wieder schwirren Fledermäuse. Heute sind mehr Wolken am Himmel, die Luft ist nicht mehr so glasklar wie gestern, dafür ist es auch nicht kalt. Was die Mücken freut, die sich über mir zum nächtlichen Buffet versammeln.
Die Wiederholung hat viel vom gestrigen Zauber verloren.

Am Ende warte ich über der Stadt, daß der Mond auf den Horizont sinkt. Nach all dem Mondlicht soll es doch noch ein Bild vom Mond werden.

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